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Thema des Monats Dezember 2022 – Grundsteuerreform 2022 – Grundsteuerbescheide – Einspruchsverfahren

28. November 2022

Lesedauer: 5 Minuten

In unseren Themen des Monats Dezember 2021 sowie Juni 2022 haben wir Sie bereits ausführlich über die Reform der Grundsteuer informiert.

Zwischenzeitlich wurde – wie Sie der Presse entnehmen konnten – die ursprüngliche Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung vom 31. Oktober 2022 auf den 30. Januar 2023 verlängert.

Die bereits abgegebenen Steuererklärungen werden Schritt für Schritt seitens der Finanzverwaltung bereits bearbeitet und entsprechende Bescheide werden erlassen.

Eine neue Problematik entsteht nun in der anstehenden Bescheidprüfung, bei der Entscheidung ob man u.U. einen Einspruch einlegen sollte oder nicht.

Für jedes Grundstück werden zwei Bescheide erlassen:

  • Bescheid auf den 01. Januar 2025 über die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags vom 31.10.2022
  • Bescheid auf den 01. Januar 2022 über die Feststellung des Grundsteuerwerts vom 31.10.2022

In den Bescheiden werden zum einen der Grundsteuerwert und zum anderen der Grundsteuermessbetrag errechnet und festgesetzt.

Die von Ihnen in der Steuererkläung angegebenen Objektdaten wie Baujahr, Wohnfläche etc. werden mit den aus dem Bewertungsgesetz stammenden Parametern und Berechnungen verarbeitet.

Sollte dies korrekt durchgeführt worden sein, entsprechen die Bescheide demnach der eingereichten Steuererklärung und sind somit dem Grunde nach nicht zu beanstanden.

Eine unmittelbare Zahlungsverpflichtung ergibt sich zunächst aus den Bescheiden nicht. Wie damalig erläutert, wurden hier in einem ersten Schritt die Besteuerungsgrundlagen in Form des Grundsteuermessbetrages als Grundlagenbescheid für die ab 2025 von den Gemeinden neu festzusetzenden Grundsteuern erlassen.

Inwieweit Sie zukünftig einen höheren oder einen niedrigeren Betrag an Grundsteuer bezahlen müssen, kann zu diesem Zeitpunkt nicht festgestellt werden, da die Gemeinden ihre Hebesätze erst für den Zeitpunkt ab 01.01.2025 festlegen werden.

Vorgehen in Sachen möglichem Einspruchsverfahren

Teile der Literatur empfehlen gegen die oben genannten Bescheide Einspruch einzulegen, da es sich bei dem neuen Verfahren zur Festlegung der Grundsteuermessbeträge um ein sehr typisiertes Verfahren handelt.

Der Hauptkritikpunkt liegt darin, dass ein Anpassungsverbot bezüglich des Grund- und Bodenanteils besteht, so dass objektspezifische Besonderheiten nicht berücksichtigt werden dürften. Dennoch bestände in dem jetzigen Verfahren keine Möglichkeit, durch ein privates Sachverständigengutachten nachzuweisen, dass der tatsächliche Verkehrswert niedriger ist. Dies entspräche daher nicht dem sog. Realisationsprinzip und verletzte daher das verfahrensrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit. Da das Grundsteuergesetz an den Wert des Grundstücks anknüpfen soll, müsste dieser realitätsgerecht ermittelt werden. Durch die starke Typisierung des jetzigen Verfahrens sollen die Grundsteuerwerte so stark nivelliert sein, dass Wertunterschiede nicht mehr realitätsgerecht abgebildet werden würden. Aber gerade diesen Umstand habe das Bundesverfassungsgericht verlangt.

Ein weiterer Kritikpunkt liegt darin, dass die von den Gutachterausschüssen festgestellten Bodenrichtwerte zu hoch seien.  

Insgesamt lägen daher an der Rechtmäßigkeit des neuen Grundsteuergesetzes verfassungsrechtliche Zweifel vor, so dass der Bescheid dahingehend mit einem Einspruch „offengehalten“ werden sollte, egal zu welchem Ergebnis der Bescheid geführt hat.

Eine andere Literaturmeinung (Bund der Steuerzahler NRW) sieht den Einspruch „lediglich“ vor, wenn der Steuermessbetrag nach Abgabe der Grundsteuererklärung höher ist als vorher.

Diese oben genannten Kritikpunkte richten sich allesamt gegen das sog. Bundesmodell der Grundsteuer, welches in der überwiegenden Anzahl aller Bundesländer angewandt wird, darunter auch in Nordrhein-Westfalen.

Fazit:

Auf der einen Seite sind die obigen Argumente nachvollziehbar.

Auf der anderen Seite erscheint aus unserer Sicht eine Typisierung eines solchen Verfahrens seitens des Gesetzgebers als obligatorisch um eine deutschlandweite Neubewertung von Grundstücken gewährleisten zu können. Die (fehlende) Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren Grundstückswertes über ein eigenes Sachverständigengutachten hätte viele Probleme, die jetzt auftreten, u.E. gelöst.

Weiterhin muss man berücksichtigen, dass Ihnen über ein Einspruchsverfahren – sofern Sie es nicht selber durchführen – weitere administrative Kosten entstehen. Inwieweit ein möglicher Einspruch überhaupt Erfolg hat, können wir in der derzeitigen Lage nicht einschätzen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der nächste Hauptfeststellungszeitpunkt für die Grundsteuerbewertung nach jetzigem Stand im Jahr 2029 (01.01.2029) liegt, so dass zu diesem Zeitpunkt das Verfahren – sollte es denn tatsächlich weiterhin verfassungswidrig sein – mit einer hohen Wahrscheinlichkeit angepasst werden wird. Aus dieser Überlegung heraus könnte man abwägen sich den administrativen Aufwand eines Einspruches dahingehend zu sparen.

Problematisch ist aktuell zudem, dass es kein aktuelles Verfahren gibt, aufgrund dessen man beantragen könnte, ein mögliches eigenes Einspruchsverfahren ruhen zu lassen, bis das Grundsatzurteil gesprochen wurde. Demnach wissen wir nicht, wie die Finanzverwaltung mit einem Einspruch umgehen wird. Ob dieser zunächst „inoffiziell“ ruhen gelassen wird bis Grundsatzurteile vorliegen, oder man mit einer abweisenden Einspruchsentscheidung zu rechnen hat, wogegen man dann nur noch das Rechtsmittel der Klage hätte.

Unserer Meinung nach sollte man aufgrund der obigen Situation ein Einspruchsverfahren daher nur anstreben, wenn man aufgrund der Typisierung bei der Bewertung des Grundstückes in nicht unerheblichem Umfang betroffen ist und die neu festgesetzten Grundsteuerwerte zu den bisherigen Grundsteuerwerten erheblich nach oben abweichen. So gibt es beispielsweise bei großen Grundstücken, die nur teilweise Bauland darstellen und bei denen allerdings nur ein Bodenrichtwert festgestellt wurde, erhebliche Abweichungen in der Wertfindung, da das gesamte Grundstück mit dem hohen Bodenrichtwert zu bewerten ist. Das Gleiche muss z. B. für die nach der Anlage zu § 254 BewG angesetzten Mietwerte gelten. Auch hier muss die Möglichkeit eröffnet werden, nachzuweisen, dass die zulässigen Mieten für das betreffende Grundstück niedriger sind als die aufgrund der Anlage 39 zu § 254 BewG angesetzten Mietwerte. Dies entspricht u.E. nicht dem Rechtsstaatsprinzip und verletzt das verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit.

In solchen Fällen würden wir empfehlen einen Einspruch einzulegen, da Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer höheren festgelegten Grundsteuer im Jahr 2025 rechnen müssen, die offensichtlich zu einem unzutreffenden Ergebnis führt.

Wir empfehlen Ihnen daher den Grundsteuermessbetrag, den Sie Ihrem aktuellen Grundbesitzabgabenbescheid (welcher von der jeweiligen Gemeinde erlassen wird) oder den damalig erlassenen Grundsteuermessbescheid entnehmen können, im ersten Schritt mit dem neuen Grundsteuermessbetrag aus den jetzigen Bescheiden zu vergleichen um die Veränderung festzustellen.

Sollten erhebliche Abweichungen vorhanden sein und zudem aufgrund der im aktuellen Bescheid zu entnehmenden Berechnung die Typisierungsmerkmale der Bewertung Sie offensichtlich benachteiligen, raten wir Ihnen einen Einspruch einzulegen.

Bitte beachten Sie in diesem Fall die Einspruchsfrist des Bescheides, die einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides abläuft.

Uns fällt es grundsätzlich sehr schwer Ihnen einen verbindlichen und rechtssicheren Ratschlag bezüglich eines möglichen Einspruches zu geben. Hier gibt es derzeit nicht „schwarz oder weiß“, so dass die oben aufgeführte Meinung bitte rein als persönliche Einschätzung gesehen werden soll, zu der wir keine berufsrechtliche Haftung übernehmen können. Die grundsätzliche Entscheidung über einen möglichen Einspruch müssen Sie selber treffen.

In jedem Fall und unabhängig von einem möglichen Einspruch müssen Sie bitte beachten, dass jede Änderung der tatsächlichen Verhältnisse am Grundstück, die sich auf die Höhe des Grundsteuerwerts, die Vermögensart oder die Grundstücksart auswirken, gemäß § 228 Abs.2 Bewertungsgesetz dem Finanzamt anzuzeigen ist. Die Anzeige ist innerhalb eines Monats nach Ablauf des Jahres, in dem sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, beim zuständigen Finanzamt zu erstatten.

Für weitere Einzelheiten und Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Selbstverständlich unterstützen wir Sie auch bei einem möglichen Einspruchsverfahren.

Ihr Kanzleiteam

Klinkenberg & Kloubert

Sollten Sie weitere Fragen zu dieser Thematik haben, können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen.

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