Thema des Monats März 2024 – Konsequenzen der Zinsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
27. Februar 2024
Die Finanzverwaltung versendet Zinsbescheide
Seit Anfang des Monats versendet das Land NRW Zinsbescheide zu Steuerbescheiden, bei denen die Steuerzahlungen längst geleistet wurden bzw. die Steuererstattungen bereits Ihrem Konto gutgeschrieben sind.
Ausgangslage und Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die bisherige Praxis sah vor, dass Steuernachforderungen und –erstattungen nach einer 15-monatigen zinsfreien Karenzzeit mit 6% pro Jahr, entsprechend 0,5% pro Monat, verzinst wurden. Diese Regelung zielte darauf ab, sowohl Steuerpflichtige als auch das Finanzamt für Verzögerungen in der Steuerfestsetzung zu kompensieren bzw. zu sanktionieren.
Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch entschieden, dass in Anbetracht des seit Jahren anhaltend niedrigen Zinsniveaus auf dem Kapitalmarkt, ein Zinssatz von 6% pro Jahr nicht mehr zeitgemäß ist und eine Ungleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen darstellt, deren Steuern innerhalb und außerhalb der Karenzzeit festgesetzt werden.
Konkrete Auswirkungen der Entscheidung
Bis einschließlich 2013:
Für Verzinsungszeiträume bis zum Jahr 2013 bleibt die bisherige Verzinsungspraxis bestehen. Einsprüche gegen die Höhe der Verzinsung für diesen Zeitraum bleiben erfolglos.
Von 2014 bis 2018:
Obwohl die Verzinsung als verfassungswidrig eingestuft wurde, hat das Gericht entschieden, dass die bisherigen Regelungen weiterhin Anwendung finden. Das bedeutet, dass Steuerbescheide, die in diesen Zeitraum fallen, nach der alten Regelung behandelt werden. Einsprüche gegen die Zinsfestsetzungen dieses Zeitraums werden abgewiesen.
Ab 2019:
Für Verzinsungszeiträume ab 2019 war der Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 31.07.2022 eine neue, verfassungskonforme Regelung zu schaffen. Einsprüche gegen Zinsbescheide oder vorläufig ergangene Zinsbescheide profitieren von der Neuregelung.
Reaktion der Finanzverwaltung
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat die Finanzverwaltung durch ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 17.09.2021 erst einmal entschieden, alle Festsetzungen von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen auszusetzen. Dies bedeutet, dass Nachzahlungszinsen und Erstattungszinsen vorerst nicht mehr festgesetzt wurden. Das Schreiben der Finanzverwaltung sah vor, dass die ausgesetzte Zinsfestsetzung nachzuholen ist, soweit und sobald die Ungewissheit durch eine rückwirkende Gesetzesänderung beseitigt ist.
Gesetzesänderung des § 233a der Abgabenordnung – Neuregelung der Vollverzinsung
Mit Verkündung des Zweiten Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung am 21.07.2022 wurde dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts genüge getan und der Zinssatz rückwirkend ab dem 1.1.2019 auf 0,15% pro Monat bzw. 1,8% pro Jahr gesenkt.
Neu eingefügt ins Gesetz wurde eine Prüfungsklausel, wonach die Angemessenheit des Zinssatzes unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB alle zwei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume zu evaluieren ist, erstmals zum 1.1.2024. Es ist also bei der derzeitigen Zinssituation damit zu rechnen, dass in Zukunft der Zinssatz von 1,8% wieder steigen wird.
Umsetzung der Finanzverwaltung
Seit dem 21.07.2022 ist die Auflage des Bundesverfassungsgerichts also im Gesetz umgesetzt. Seit Anfang Februar dieses Jahres (2024!) ergehen nun in großem Umfang Zinsbescheide.
Es werden die Zeitpunkte ermittelt, ab wann die Steuer zu verzinsen war und wann die Steuer tatsächlich gezahlt wurde bzw. wann der Steuerbescheid Bekanntgabe gegeben wurde. Für diesen Zeitraum werden die Zinstage ermittelt und mit dem Zinssatz von 1,8% multipliziert. Der Steuerbetrag wird auf volle 50 EUR, die festgesetzten Zinsen auf volle EUR zum Vorteil des Steuerpflichtigen abgerundet. Zinsen werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 EUR betragen.
Da diese Bescheide alle rechnergesteuert von der Finanzverwaltung versendet werden, kommt es in nicht wenigen Fällen vor, dass Bescheide mit 0,00 EUR versendet werden. Der Verwaltungsaufwand wäre wohl deutlich höher, diese Bescheide auszufiltern, als einfach zu verschicken. Wundern Sie sich also bitte nicht, wenn Sie einen Bescheid mit 0,00 EUR erhalten.
Abschließend
Das ist der Grund, warum Sie in den nächsten Tagen und Wochen Zinsbescheide erhalten, die bereits für erledigte Steuerjahre ergehen.
Noch ein Hinweis
Mit der Gesetzesänderung im Juli 2022 wurde eine weitere Regelung ins Gesetz eingefügt. Die Billigkeitsregelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen aufgrund „freiwilliger“ Zahlungen wurde gesetzlich verankert. Sollten Sie also hohe Steuernachzahlungen erwarten und das Finanzamt kommt mit den Steuerfestsetzungen nicht nach, dann können Sie zur Vermeidung von Strafzinsen bereits vorab eine Steuerzahlung tätigen. Nachzahlungszinsen, die automatisch bei ergehen des Steuerbescheides festgesetzt werden, müssen erlassen werden.
Ihr Kanzleiteam
Klinkenberg & Kloubert
Sollten Sie weitere Fragen zu dieser Thematik haben, können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen.