Thema des Monats September 2020 Verfahrensdokumentation
31. August 2020
1. Einleitung
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen unserer monatlichen Informationen möchten wir Sie in diesem Informationsschreiben auf einen für viele vielleicht nicht so präsenten, jedoch sehr wichtigen Punkt im Rahmen der Verpflichtung eines Unternehmers, nämlich der sog. Verfahrensdokumentation, hinweisen. Wir haben Sie hierüber bereits in unserem Schreiben vom 27.02.2018 ausführlich informiert. Da jedoch nunmehr aktuell vermehrt in den laufenden Betriebsprüfungen diese Verfahrensdokumentationen aufgegriffen und angefordert werden, möchten wir diesen Umstand zum Anlass nehmen Sie in diesem Punkt nochmals zu sensibilisieren und auf den neusten Stand zu bringen.
Denn es sollte das gemeinsame Ziel sein eine mögliche Betriebsprüfung bestmöglich „abzuwickeln“. Hierfür kann eine ordnungsgemäße Verfahrensdokumentation ein wichtiger Baustein sein.
2. Historische Entwicklung
Die Verpflichtung zur Erstellung einer Verfahrensdokumentation gibt es dem Grunde nach schon seit dem 01.01.2015 (durch das BMF-Schreiben vom 14.11.2014 – BStBl I 2014, S. 1450). Die Verfahrensdokumentation ist Bestandteil der „Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (kurz GoBD)“.
Die Finanzverwaltung wollte dadurch einen effizienteren Prüfungsverlauf erreichen. Es sollte weg von der Prüfung von Einzelbelegen hin zu der Überprüfung von ganzen Prozessen vereinfacht werden. Um dies auch so umsetzen zu können, wird daher vom Steuerpflichtigen eine angemessene Datenqualität der Buchhaltungsdaten erwartet. Diese Überwachung der Datenqualität findet daher Ausfluss in der Verfahrensdokumentation, welche den Fokus insbesondere auf Datenflüsse in Haupt- und Nebensystemen sowie auf interne Organisationsabläufe einschließlich von Kontrollen zur Sicherstellung dieser Datenqualität richtet.
Obgleich es vereinzelt in der Literatur vorkommt, dass im Rahmen von Betriebsprüfungen bereits Verfahrensdokumentationen vor dem 01.01.2015 verlangt werden, sind wir der Auffassung, dass bei einer Nichtvorlage einer solchen Dokumentation für die Zeit vor dem 01.01.2015 keine nachteiligen Folgen für den Unternehmer zu erwarten sind. Es würde sich offensichtlich um eine unzulässige rückwirkende Verschärfung handeln. Wir haben auch bislang bei Betriebsprüfungen unserer Mandanten keine Anforderungen von Verfahrensdokumentationen für Prüfungsjahre vor dem 01.01.2015 erhalten.
Zum 28.11.2019 wurde zudem ein weiteres BMF-Schreiben zu den GoBD von der Finanzverwaltung erlassen, welche in einigen Punkten an den aktuellen technischen Stand angepasst wurde. Die Ausführungen zur Verfahrensdokumentation wurden unverändert von dem o.a. BMF-Schreiben vom 14.11.2014 übernommen.
3. Bestandteile einer Verfahrensdokumentation
In Rz. 151 ff. des o.a. BMF-Schreibens werden die allgemeinen Anforderungen an eine Verfahrensdokumentation für im Einsatz befindliche Datenverarbeitungssysteme formuliert. Dabei muss für jedes System eine übersichtlich gegliederte Verfahrensdokumentation vorhanden sein, aus der sich Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnisse des Datenverarbeitungsverfahrens vollständig und schlüssig ersichtlich sind.
Im Allgemeinen bedeutet dies laut Rz. 152 des BMF-Schreibens, dass die Verfahrensdokumentation den organisatorischen und technisch gewollten Prozess z.B. bei elektronischen Dokumenten von der Entstehung der Informationen über die Indizierung, Verarbeitung, Speicherung, dem eindeutigen Wiederfinden und der maschinellen Auswertbarkeit, der Absicherung gegen Verlust und Verfälschung und der Reproduktion beschreiben soll.
Zudem muss die Verfahrensdokumentation für einen sachverständigen Dritten (z.B. Betriebsprüfer der Finanzverwaltung) in angemessener Zeit nachprüfbar sein.
Um nun eine genauere Vorstellung der konkreten Verfahrensdokumentation zu erlangen wird in Rz. 153 auf die einzelnen Bestandteile Bezug genommen. Dies sind:
- Allgemeine Beschreibung
- Anwenderdokumentation
- Technische Systemdokumentation
- Betriebsdokumentation
Was die Finanzverwaltung darunter versteht möchten wir im Folgenden kurz ausführen:
Allgemeine Beschreibung
Darunter versteht man die Beschreibung der Organisation des Unternehmens, der Mitarbeiter-Verantwortlichkeit (z.B. für bestimmte Aufgaben), der Mitarbeiter-Tätigkeiten (z.B. für bestimmte Aufgaben) und der allgemeinen Tätigkeitsbereiche. Man gibt somit einem fremden Dritten einen allgemeinen Überblick über das Unternehmen und die entsprechenden Arbeitsabläufe.
Anwenderdokumentation
Dies kann z.B. eine Bedienungsanleitung für die sachgerechte Nutzung der eingesetzten EDV bzw. IT-Systeme sein.
Technische Systemdokumentation
Hierbei geht es sich um die Beschreibung der EDV-Umgebung. Dabei sollten u.a. folgende Fragen beantwortet werden:
- Welche Software wird genutzt?
- Welche Hardware, Netzwerke oder Cloud-Anwendungen sind im Einsatz?
- Wie arbeiten die einzelnen EDV-Bereiche (z.B. Schnittstellen für Datenübertragungen) zusammen?
- Welche Daten-Strukturen bestehen?
- Wir sind Datenschutz und Datensicherung organisiert?
Hier soll einem fremden Dritten ein Überblick über die digitale Ausstattung sowie Arbeitsweise des Unternehmens gegeben werden.
Betriebsdokumentation
Bei der Erstellung der Betriebsdokumentation soll die Betriebsorganisation beschrieben sowie die Einhaltung der Vorgaben der Software-Programme dokumentiert werden.
Es ist hierbei zu beachten, dass sich vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen viele dieser Bereiche überschneiden. Es ist daher ebenfalls wichtig, dass auch die Abläufe der Vor- und Nebensysteme beschrieben werden, da jeder Beleg auch Auswirkungen auf die Inhalte dieser Systeme haben kann.
Der Gesetzgeber subsumiert unter allgemeinen Datenverarbeitungssystemen im Sinne der GoBD das Hauptbuchführungssystem und die o.a. Vor- und Nebensysteme. Zu diesen zählen insbesondere Kassensysteme, Zahlungsverkehrssysteme, Lohn – und Gehaltsabrechnung, Anlagenbuchführung sowie die Behandlung und Bearbeitung von Eingangs- und Ausgangsrechnungen. Darüber hinaus können auch Systeme zur Zeiterfassung, Materialwirtschaft und Dokumentenmanagementsystemen darunter fallen.
Zudem verlangt die Finanzverwaltung, dass die Verfahrensdokumentation bei Änderungen zu versionieren und eine nachvollziehbare Änderungshistorie vorzuhalten ist. Daher sollte der Unternehmer sich z.B. alle 6 Monate einen Erinnerungstermin vormerken, zu dem die bisherige Version überprüft und ggf. ersetzt wird. Die bisherige Version muss, versehen mit dem Gültigkeitsdatum, aufbewahrt werden.
4. Umsetzung der Verfahrensdokumentation
4.1. Allgemeine Vorgehensweise
Zunächst sollte der Ist-Zustand Ihres Unternehmens unter Berücksichtigung der bei Ihnen vorliegenden relevanten Datenverarbeitungssysteme analysiert werden. Im nächsten Schritt sollte dann jeder Prozess der Buchhaltung und die dafür im Einsatz befindlichen Datenverarbeitungssysteme dokumentiert werden. Sofern alle Informationen vorliegen sollte ein Abgleich mit den einzelnen Prozessen und den allgemeinen Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung (GoBD) erfolgen.
Dabei ist zu beachten, dass jedes Unternehmen – abgesehen von den eingesetzten Systemen – eine individuelle Struktur und Vorgehensweise bei der Datenverarbeitung und Organisation aufweist. Um eine möglichst effiziente Verfahrensdokumentation erstellen zu können, sollte anhand der unten aufgeführten Fragestellungen, die theoretischen Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung mit dem individuell gelebten Prozess abgeglichen werden.
Grundsatz der Nachvollziehbarkeit
- Wie kann ein fremder Dritter die einzelnen Buchungen oder Belege und deren Verlauf in den Prozessschritten nachvollziehen?
Grundsatz der Nachprüfbarkeit
- Wie stellt man den Weg eines Beleges zur Bilanz oder GuV-Position bis hin zur Deklaration in der Steuererklärung / Steueranmeldung sicher (sog. progressive Prüfung)?
- Wie stellt man den Weg von der Bilanz oder GuV-Position bis hin zur Deklaration in der Steuererklärung / Steueranmeldung zum Beleg sicher (sog. retrograde Prüfung)?
- Welche (internen) Kontrollen bestehen, dass auch jeder Geschäftsvorfall erfasst wird (siehe auch Punkt 4.3. internes Kontrollsystem)?
- Wie wird sichergestellt, dass keine Mehrfacherfassung von Belegen oder Geschäftsvorfällen erfolgt?
Grundsatz der Richtigkeit
- Wie wird sichergestellt, dass die Erfassung eines Geschäftsvorfalles zutreffend erfolgt und die Erfassung auch inhaltlich mit der Buchung und dem Beleg übereinstimmt?
Grundsatz der zeitgerechten Buchung und Aufzeichnung
- Wie wird sichergestellt, dass die Erfassung von Buchungen und Belegen auch zeitgerecht erfolgt (siehe „Zehn-Tagesfrist lt. BFH-Urteil vom 02.10.1968).
- Werden Kasseneinnahmen täglich verbucht?
Grundsatz der Ordnung
- Wie wird sichergestellt, dass eine systematische und übersichtliche Erfassung der Geschäftsvorfälle vollzogen wird?
Grundsatz der Unveränderbarkeit
- Wie wird sichergestellt, dass eine Buchung nicht mehr verändert oder gelöscht werden kann, ohne das dies dokumentiert ist?
Grundsatz der Datensicherheit
- Wie werden Daten vor Untergang oder Diebstahl geschützt?
- Wie wird sichergestellt, dass die Daten über die Dauer der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist abrufbar sind?
Es handelt sich hierbei nicht um eine abschließende Aufzählung, sondern es soll lediglich eine Hilfestellung für die möglichen eigenen Fragestellungen bei Erstellung der eigenen Verfahrensdokumentation geben.
Sollte Ihr Unternehmen ggf. schon bereits eine Zertifizierung (z.B. ISO) besitzen, können Sie im Rahmen der zu erstellenden Verfahrensdokumentation auf einzelne Kapitel der dokumentierten Zertifizierung verweisen, um keine redundanten Arbeiten durchführen zu müssen.
4.2. Einbezug der Mitarbeiter
Um die persönliche Arbeitsweise und Organisationsstruktur möglichst wirklichkeitsnah in der Verfahrensdokumentation abbilden zu können, sollten auch die allgemein geltenden Anweisungen hinsichtlich der Organisation sowie der allgemeinen Arbeitsweisen dokumentiert werden. Denn in vielen Betrieben werden solche Anweisungen nur mündlich erteilt oder es gibt nur vereinzelt schriftliche Anweisungen.
Dabei sollte auch der Punkt nicht außer Acht gelassen werden, dass sich viele Ihrer Mitarbeiter – mitunter über Jahre – Ihre eigene Arbeitsorganisation geschaffen haben. Daher empfiehlt es sich die Mitarbeiter in die Erstellung der Verfahrensdokumentation mit einzubeziehen, um die individuellen Arbeitsweisen auch dort abbilden zu können.
Bei Befragung der einzelnen Arbeitnehmer kann es u.U. auch dazu führen, dass Prozesse, welche ggf. als zu umständlich erachtet werden, vereinfacht werden können, sodass die Erstellung einer solchen Verfahrensdokumentation im Hinblick auf Arbeitsabläufe und Strukturen mitunter auch eine Chance für den Unternehmer darstellt.
4.3. Internes Kontrollsystem
Um die o.a. Grundsätze der Ordnungsgemäßen Buchführung auch einhalten und aufzeichnen zu können, sollte der Unternehmer hierfür Kontrollen einrichten, ausüben und diese protokollieren (z.B. Zugangs- und Zugriffsbeschränkungsmöglichkeiten).
Es ist zu beachten, dass die Finanzverwaltung das interne Kontrollsystem (kurz IKS) als unverzichtbaren Bestandsteil einer Verfahrensdokumentation einordnet.
Die konkrete Ausgestaltung des Kontrollsystems ist dabei von der Struktur (Komplexität der Geschäftstätigkeit, der Organisation sowie der eingesetztes Datenverarbeitungssystemen) abhängig.
Bei all diesen doch sehr theoretisch anmutenden Voraussetzungen ist es umso wichtiger, dass die aufgestellte Verfahrensdokumentation auch tatsächlich „gelebt“ wird. Denn Abweichungen zwischen der Beschreibung und dem tatsächlichen Abläufen können mitunter bei einer Betriebsprüfung zu steuerlichen Nachteilen führen.
Daher sollte im Zweifel nach der Erstellung der Verfahrensdokumentation in regelmäßigen Zeitabständen überprüft werden, ob die dort beschriebenen Prozesse auch tatsächlich in der Praxis so umgesetzt werden. Sollte dies ggf. nicht der Fall sein, kann der Unternehmer entweder die Abläufe an die Beschreibungen oder die Verfahrensdokumentation an die tatsächlichen Abläufe anpassen. Bei der zweiten Alternative müsste jedoch eine neue Version der Verfahrensdokumentation erstellt werden.
5. Bislang wurde keine Verfahrensdokumentation erstellt – was nun?
Sofern Sie bislang keine Verfahrensdokumentation erstellt haben, würden wir Ihnen dringend empfehlen möglichst zeitnah mit der Erstellung unter Berücksichtigung Ihrer persönlichen Abläufe im Unternehmen zu beginnen. Spätestens bei Beginn der möglichen nächsten Betriebsprüfung ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Sie eine Verfahrensdokumentation vorlegen müssen.
Wie bereits unter Punkt 4.1. beschrieben, sollten Sie sich dabei zunächst u.a. die oben angeführten Fragen stellen sowie ggf. auch auf bereits vorhandene Beschreibungen etwaiger Arbeitsabläufe und Strukturen zugreifen.
Dies können insbesondere Folgende Anweisungen / Dokumente etc. sein:
- Vorhandene schriftliche Arbeits- und Organisationanweisungen.
- Niederschriften über besondere Arbeitsabläufe sowie aller mündlich erteilten und im Unternehmen „gelebten“ Organisationsanweisungen.
- Heranziehen von EDV-Programmbeschreibungen.
- Berücksichtigung von EDV-Bedienungsanleitungen.
- Individuell erzeugte Notizen von Mitarbeitern über Betriebsabläufe.
Dabei ist vor allem darauf zu achten, dass die Verfahrensdokumentation vollständig ist, klare Strukturen enthält und widersprüchliche Anweisungen oder Beschreibungen vermeidet.
Sofern noch Ablaufbeschreibungen fehlen, müssten diese Schritt für Schritt erarbeitet und ggf. noch nachträglich eingefügt werden.
6. Folgen einer fehlenden oder ungenügenden Verfahrensdokumentation
Eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation kann u.U. zu einer Hinzuschätzung der Finanzverwaltung i.d.R. im Rahmen einer Betriebsprüfung führen. Dieser Punkt ist in der Literatur jedoch sehr umstritten. Denn zum einen muss z.B. nachgewiesen werden, dass eine Verfahrensdokumentation ungenügend ist. Für diese Definition gibt es jedoch keinen Leitfaden, sodass es letztendlich eine Ermessensentscheidung des Betriebsprüfers sein wird.
Ob eine Buchführung bei einer fehlenden oder ungenügenden Verfahrensdokumentation überhaupt verworfen werden kann, ist jedoch sehr zweifelhaft. Denn formell gibt es keine gesetzliche Verpflichtung eine solche Dokumentation vorzuhalten. Der Betriebsprüfer ist jedoch an die Verwaltungsauffassung gebunden, sodass wir trotzdem empfehlen eine solche Dokumentation zu erstellen, um dem Prüfer keine allzu große Angriffsfläche zu bieten.
Das BMF-Schreiben vom 28.11.2019 weist jedoch in Rz. 155 ausdrücklich darauf hin, dass soweit eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit nicht beeinträchtig, kein formeller Mangel vorliegt, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann.
Letztendlich kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an, da klare Vorgaben seitens der Finanzverwaltung in diesen Fällen fehlen.
7. Aktuelle steuerrechtliche Beurteilung sowie Einordnung
Wie bereits unter Punkt 6 dargelegt ist eine aktuelle steuerrechtliche Einordnung der Verfahrensdokumentation äußerst schwierig. Zum einen hält sich die Finanzverwaltung mit weiteren Aussagen hinsichtlich der Folgen einer fehlenden bzw. unzureichenden Verfahrensdokumentation bedeckt. Zum anderen hatte die Rechtsprechung größtenteils noch keine Gelegenheit zur Positionierung. Zumal etwaige Finanzgerichtsurteile sich häufig mit der Thematik der Kassenführung auseinandergesetzt haben und die Hinzuschätzung meist schwere formelle Mängel (z.B. fehlende Programmierprotokolle) waren. Dieser Mangel berechtige schon zu einer Hinzuschätzung, sodass eine zusätzlich nicht vorhandenen Verfahrensdokumentation ohne Folgen blieb (vgl. hierzu FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.12.2918 7 V 7137/18, juris; FG Köln, Urteil v. 6.6.2018 15 V 754/18, EFG 2018 S. 1688; FG Münster, Urteil v. 29.3.2017 7 K 3675/13 E, G, U, EFG 2017 S. 846; FG Hamburg, Urteil v. 17.9.2015 2 K 253/14, DStRE 2016 S. 1066).
Das Finanzgericht Münster hatte mit Urteil vom 20.12.2019 entschieden, dass eine fehlende Verfahrensdokumentation, die die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Daten beeinträchtigt, einen formellen Mangel darstellt und zur Verwerflichkeit der Buchführung „beiträgt“.
Es führt also oftmals eine Vielzahl von Mängeln zur letztendlichen Verwerfung der Buchführung und einer mögliche Hinzuschätzung. Wie letztendlich der Bundesfinanzhof über diese Fälle entscheidet bleibt daher zunächst weiter abzuwarten.
Zudem ist zu kritisieren, dass seitens der Finanzverwaltung bezüglich des Umfangs und Detaillierungsgrades keine weiteren Angaben bekanntgegeben worden. So stellen sich nach wie vor folgende Fragen:
- Wie detailliert müssen die einzelnen Prozesse beschrieben werden?
- Wie detailliert müssen die verwendeten EDV-Systeme – insbesondere aus technischer Sicht – für die technische Systemdokumentation beschrieben werden?
Dies sind nur einige von vielen Fragen, welche mit Sicherheit bei der Erstellung einer solchen Dokumentation auftreten werden.
8. Muster-Verfahrensdokumentationen und Leitfäden
Die Erstellung einer Verfahrensdokumentation bedarf einiger Zeit und Akribie. Um die Vorgehensweise etwas zu erleichtern, werden eine Vielzahl von Leitfäden und Muster zur Verfügung gestellt. Wir möchten Sie in diesem Zusammenhang auf zwei Muster-Verfahrensdokumentationen hinweisen:
- Muster-Verfahrensdokumentation zur Digitalisierung und elektronischen Aufbewahrung von Belegen inkl. Vernichtung der Papierbelege (gemeinsam erarbeitet durch die Bundessteuerberaterkammer und den Deutschen Steuerberaterverband e. V.)
- AWV Muster-Verfahrensdokumentation zur Belegablage (Erstellt durch den Arbeitskreis „Auslegung der GoB beim Einsatz neuer Organisationstechnologien“ der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. (AWV), Eschborn)
9. Fazit
Auch wenn hinsichtlich der genauen Ausgestaltung einer Verfahrensdokumentation sowie der Rechtsfolgen bei Fehlen einer solchen Dokumentation noch Unklarheit bestehen, sollte dieses Thema dennoch bei vielen Unternehmen zeitnah aufgegriffen und umgesetzt werden. Denn der aktuelle Trend bestätigt sich, dass oftmals solche Verfahrensdokumentationen im Rahmen einer Betriebsprüfung angefordert werden. Um daher vor langwierigen Diskussionen sowie etwaiger Hinzuschätzungen gewappnet zu sein, empfehlen wir eine solche Verfahrensdokumentation (wenigstens in einem groben Detailierungsgrad) zu erstellen. Neben dem steuerrechtlichen Aspekt, kann eine solche Dokumentation auch eine Chance für Ihr Unternehmen sein, Prozesse zu vereinfachen oder effizienter zu gestalten.
Wir hoffen Ihnen hiermit eine Hilfestellung sowie einen prägnanten Überblick über das umfangreiche Thema der Verfahrensdokumentation bieten zu können und stehen für weitere Rückfragen gerne zur Verfügung.
Ihr Kanzleiteam
Klinkenberg & Kloubert
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