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Thema des Monats September 2022 – Dreimal „M“: Mindestlohn, Minijob und Midijob

30. August 2022

Lesedauer: 4 Minuten

Die Redewendung „aller guten Dinge sind drei“ betont, dass die Zahl drei von einer bestimmten Sache besonders positiv hervorzuheben ist. Daher möchten wir auch in diesem Beitrag „Thema des Monats“ die drei ab dem 01.10.2022 in Kraft tretenden neuen gesetzlichen Regelungen im Lohnbereich besonders hervorheben.  Diese betreffen den Mindestlohn, den Minijob und den Midijob.

Mit dem Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den „gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung“, das bereits Anfang des Jahres verabschiedet wurde, werden folgende Änderungen zum 01.10.2022 in Kraft treten:

– Erhöhung des Mindestlohnes von 10,45 Euro auf 12,00 Euro

– Anpassung der Geringfügigkeitsgrenze von 450,00 Euro auf 520,00 Euro

– Zukünftig dynamische Anpassung der Geringfügigkeitsgrenze:

– Erhöhung der Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich (Midijob) von monatlich 1.300,00 Euro auf 1.600,00 Euro

– Bestandschutzregelungen für Beschäftigte im Bereich von 450,01 Euro bis 520,00 Euro

Der folgende Beitrag erläutert anhand der Rechtslage die sich für die Praxis ergebenden arbeitsvertraglichen Konsequenzen.

1. Geringfügigkeitsgrenze und neue Berechnungsformel

Bis einschließlich September 2022 gilt bei geringfügig Beschäftigten eine feste Arbeitsentgeltgrenze von monatlich 450,00 Euro.

Künftig werden geringfügige Beschäftigungsverhältnisse an eine dynamische Geringfügigkeitsgrenze geknüpft. Diese orientiert sich an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zum gesetzlichen Mindestlohn.

Durch die Anhebung des Mindestlohnes ab 01.10.2022 auf 12,00 Euro pro Arbeitsstunden, darf ein geringfügig Beschäftigter Arbeitnehmer durchschnittlich bis zu 520,00 Euro verdienen. Das entspricht einer monatlichen Arbeitszeit von 43 Stunden und 20 Minuten.

Damit in der Sozialversicherung ein Wochenwert in einen Monatswert umgerechnet werden kann, wird folgende Formel angewandt:

Wöchentliche Arbeitszeit x 13 Wochen: 3 Monate

Für die Berechnung der neuen Geringfügigkeitsgrenze werden die festgelegten 13 Wochen mit der Wochenarbeitszeit von 10 Stunden multipliziert. Dies ergibt einen Wert von 130.

Ab 01.10.2022 gilt folgende Formel zur Ermittlung der Geringfügigkeitsgrenze:

12,00 Euro x 130: 3 = 520,00 Euro.

Für die Geringfügigkeitsgrenze ist weiterhin das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt entscheidend. Dieses wird dadurch festgelegt, dass die laufenden und einmalig gezahlten Arbeitsentgelte für einen Zeitraum maximal 12 Monaten zu ermitteln und durch die Anzahl der Beschäftigungsmonate zu teilen sind.

Grundsätzlich gilt: Überschreitet das Minijob-Gehalt regelmäßig die Arbeitsentgeltgrenze, liegt vom Tag des Überschreitens an keine geringfügige Beschäftigung mehr vor.

Ab 01.10.2022 ist die Überschreitung der Entgeltgrenze auch gesetzlich verankert. Die Geringfügigkeitsgrenze darf innerhalb eines Zeitjahres in nicht mehr als zwei Kalendermonate überschritten werden. Die Neuregelung beinhaltet eine Deckelung des Mehrverdienstes pro Kalendermonat. Dieser darf das doppelte der Geringfügigkeitsgrenze von 1.040,00 Euro in einem Kalendermonat nicht überschreiten. Das bedeutet, dass es in Ausnahmefällen ein maximaler Verdienst von 7.280,00 Euro (14 x 520,00 Euro) über einen Zeitraum von 12 Monate möglich ist.

Diese Anhebung darf nicht bereits im Arbeitsvertrag durch eine höhere Monats- oder Wochenarbeitszeit „eingepreist“ werden. Es muss sich weiterhin um „unvorhergesehene“, wie außerplanmäßige Mehrarbeit oder zusätzliche Arbeitseinsätze, Überschreitungen, handeln.

2. Midijob und neue Berechnungsformel

Auch im Bereich des dem Minijob folgenden Midijob wurde eine Anpassung fällig. Der Gesetzgeber hat dem Umstand Rechnung getragen und die Obergrenze für den Midijob ab dem 01.10.2022 von 1.300,00 Euro auf 1.600,00 Euro angehoben.

Wie bereits vor der Anpassung ist der Midijob dadurch gekennzeichnet, dass es für den Arbeitnehmer in diesem Übergangsbereich geringere Sozialabgaben anfallen, ohne einen Nachteil in der Rentenversicherung zu erlangen. Der Arbeitgeberanteil trug bislang einen Beitragsanteil in Höhe der Hälfte des Gesamtsozialversicherungsbetrages (19,975 %) vom tatsächlichen Arbeitsentgelt.

Ab 01. Oktober 2022 wird der Arbeitgeberanteil erhöht und wird zukünftig von 28 % im unteren Bereich des Übergangsbereichs (d.h. ab 520,01 Euro) auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abschmelzen.

3. Bestandschutzregelungen für Beschäftigte im Bereich von 450,00 Euro bis 520,00 Euro

Durch die Anpassung der Geringfügigkeitsgrenze gelten Arbeitnehmer, die zwischen 450,01 EUR und 520,00 EUR im Monat verdienen, nach dem 01.10.2022 grundsätzlich als Minijobber und unterliegen keiner Versicherungspflicht.

Der Gesetzgeber hat hierfür aber eine Bestandsschutzregelung eingeführt. Die betroffenen Arbeitnehmer können teilweise selbst über ihre beitragsrechtliche Beurteilung entscheiden.

Versicherungspflichtig Beschäftigte, für die bis zum Inkrafttreten der Neuregelung die bisherigen Regelungen für den Übergangsbereich gelten und die ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 450,01 bis 520,00 Euro erzielten, bleiben aus Gründen des Bestandsschutzes bis zum 31. Dezember 2023 versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.

Der Bestandsschutz beinhaltet folgende Regelungen in den einzelnen Versicherungszweigen:

Kranken- und Pflegeversicherung:

Arbeitnehmer im Bestandsschutz bleiben in der Kranken- und Pflegeversicherung bis längstens 31.12.2023 versicherungspflichtig. Der Bestandsschutz greift nicht, wenn hier die Voraussetzungen für eine Familienversicherung nach § 10 SGB V vorliegen.

Arbeitslosenversicherung:

Arbeitnehmer im Bestandsschutz bleiben in der Arbeitslosenversicherung bis längstens 31.12.2023 versicherungspflichtig.

– Rentenversicherung:

In der Rentenversicherung gibt es mit Ausnahme von Beschäftigungen in Privathaushalten keine Bestandsschutzregelung. Arbeitnehmer, die über den 30. September 2022 hinaus beschäftigt sind und ein Arbeitsentgelt bis durchschnittlich maximal 520,00 Euro im Monat verdienen, werden ab 1. Oktober 2022 Minijobber. Die Rentenversicherungspflicht bleibt bestehen, solange in dem Minijob keine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragt wird (sog. Opt-Out-Regelung). Dadurch erlangen Arbeitnehmer einen Vorteil, weil ihre Belastung bei einem rentenversicherungspflichtigen Minijob nur noch 3,6 Prozent beträgt, denn der Arbeitgeber trägt in diesem Fall bereits 15 Prozent.

Grundsätzlich gelten die Aussagen in der Rentenversicherung auch für Beschäftigungen in Privathaushalten. Arbeitnehmer werden unter den zuvor genannten Voraussetzungen ebenfalls ab 1. Oktober 2022 Minijobber. Allerdings wird im Beitragsrecht ein befristetes Übergangsrecht für die Zeit bis zum 31. Dezember 2023 geschaffen, wenn diese Beschäftigten sich im Minijob nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen. Für die Beitragsbemessung und Tragung finden dann faktisch weiterhin die Regelungen des bisherigen Übergangsbereichs Anwendung. Durch dieses Übergangsrecht soll vermieden werden, dass Beschäftigte in Privathaushalten höhere Rentenversicherungsbeiträge als bisher zu zahlen hätten, weil versicherungspflichtig geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten einen Beitragsanteil von derzeit 13,6 Prozent tragen müssen. Für diese Personen bleibt ausschließlich die Krankenkasse als Einzugsstelle zuständig.

Optionale Befreiungsanfrage:

Die betroffenen Beschäftigten können sich bei der Krankenkasse und der Agentur für Arbeit auf Antrag von der temporären Versicherungspflicht befreien lassen.

Kranken- und Pflegeversicherung:

Hier ist eine Befreiung nur bis zum 02.01.2023 möglich und wirkt grundsätzlich zurück bis zum 01.10.2022. Wenn in der Zeit ab dem 01.10.2022 jedoch bereits Leistungen der Krankenkasse in Anspruch genommen worden sind, wirkt die Befreiung lediglich bis zum Monat nach der Leistungserbringung zurück.

Arbeitslosenversicherung:

Wenn der Antrag bis zum 02.01.2023 gestellt wird, wirkt die Befreiung rückwirkend ab dem 01.10.2022. Andernfalls ab dem Folgemonat der Antragstellung.

Für weitere Einzelheiten und Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Selbstverständlich unterstützen wir Sie auch bei individuellen Berechnungen und gestalten, für Sie und Ihre Belegschaft, eine optimale Umsetzung.


Ihr Kanzleiteam

Klinkenberg & Kloubert

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