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Thema des Monats September 2024 – Vorsicht „Falle“ allgemein gültig erklärte Tarifverträge

26. August 2024

Lesedauer: 4 Minuten

Als Arbeitgeber sind Sie sicherlich mit den Themen Sozialversicherung, Arbeitsrecht und Steuerrecht im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis Ihrer Mitarbeiter vertraut.

Dennoch möchten wir Ihnen das Thema Tarifverträge im Rahmen des Arbeitsrechts detaillierter erläutern, weil diese häufig Einfluss auf den Verlauf von Sozialversicherungsprüfungen haben.

In Deutschland existieren viele verschiedene Tarifverträge für diverse Branchen und teilweise sogar für einzelne Unternehmen. Bei Fragen zu Tarifverträgen sind zum einen die Arbeitgeberverbände der jeweiligen Branchen und die entsprechenden Gewerkschaften und zum anderen natürlich Ihr vertrauter Arbeitsrechtler erste Anlaufstellen für Sie. Ihre Arbeitgeberverbände unterrichten i.d.R. regelmäßig zu tariflichen Änderungen.

Was ist ein Tarifvertrag?

Tarifverträge sind schriftliche Vereinbarungen, welche die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in spezifischen Branchen bzw. Berufen definieren. Sie werden von Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeber schriftlich ausgehandelt und beinhalten zentrale Aspekte des Beschäftigungsverhältnisses wie Gehälter, Urlaubsansprüche, Bonuszahlungen, Jobklassifizierung und Bezahlung während Krankheitszeiten. Tarifverträge sind zeitlich begrenzt und müssen nach Ablauf erneut ausgehandelt werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Tarifverträge sind im Tarifvertragsgesetz (TVG) festgelegt. Tarifverträge gelten für Angestellte und Arbeitnehmer, die tarifgebunden sind.

Ob ein Arbeitgeber oder Arbeitnehmer tarifgebunden ist, lässt sich an verschiedenen Merkmalen erkennen: z.B.

  • Der Arbeitgeber ist Mitglied in einem Arbeitgeberverband oder der Arbeitnehmer ist Mitglied in einer Gewerkschaft.
  • Der Arbeitgeber schließt einzelvertraglich einen Arbeitsvertrag der Bezug auf den Tarifvertrag nimmt.

Das übliche Ziel einer solchen freiwilligen Anpassung an einen Tarifvertrag ist es, eine einheitliche Behandlung der tarifgebundenen und der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer im Betrieb sicherzustellen. Tarifvertragliche Bestimmungen sind zudem anzuwenden, wenn bereits eine entsprechende betriebliche Praxis besteht.

Anwendungsbereiche:

Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages gelten unmittelbar und zwingend für den Arbeitgeber und die Arbeitnehmer die unter den Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages fallen.

Übt ein Unternehmen mehrere Tätigkeitsfelder aus, gelten i.d.R. die Bedingungen der Branche, die am gewichtigsten ist. Die Regelungen des Tarifvertrages gelten auch dann, wenn Einzelvertraglich anderes vereinbart wurde. Regelungen des Arbeitsvertrages, die den Tarifvertrag ausschließen oder einschränken sind unwirksam. Abweichungen sind nur zu Gunsten des Arbeitnehmers möglich oder sofern Sie durch den Tarifvertrag erlaubt werden (Öffnungsklausel), zulässig. Eine Tariföffnungsklausel ist eine Bestimmung in einem Tarifvertrag, die es den Tarifparteien gestattet, von bestimmten tariflichen Bestimmungen abzuweichen oder diese zu ändern. Diese Klausel ermöglicht es den Vertragsparteien, spezifische Regelungen auf betrieblicher Ebene zu treffen, um besser auf die speziellen Anforderungen und Umstände eines Unternehmens oder einer Branche reagieren zu können. Dadurch gewährt die Tariföffnungsklausel eine gewisse Anpassungsfähigkeit und Flexibilität innerhalb des tariflichen Rahmens.

Die Gültigkeit eines Tarifvertrages endet mit Ablauf des Zeitraumes für den er geschlossen wurde oder durch Kündigung dessen.

Sonderfall: Allgemeinverbindliche Tarifverträge:

In Abweichung hierzu gelten Tarifverträge, die für allgemeinverbindlich erklärt wurden, für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber die die räumlichen und persönlichen Verhältnisse erfüllen, unabhängig von der Tarifgebundenheit der Parteien. Tarifverträge, die für allgemeinverbindlich erklärt wurden, gelten auch dann, wenn die oben genannten Merkmale nicht erfüllt werden, d.h. keine Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband oder einer Gewerkschaft besteht.

Diese Tarifverträge, die für allgemein verbindlich erklärt werden, haben daher eine besondere Position. Gemäß § 5 Abs. 1 TVG kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zusammen mit dem Tarifausschuss, der aus Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen besteht, einen Tarifvertrag auf Antrag einer Tarifpartei für allgemein verbindlich erklären. Mit dieser Erklärung gelten die Regeln des Tarifvertrags oder für Teile des Tarifvertrages, auch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die bisher nicht an Tarifverträge gebunden waren zwingend. Die Arbeitsvertragsparteien, die unter diesen Tarifvertrag fallen, dürfen die vereinbarten Entgelte daher nicht unterschreiten.

Jedes Quartal veröffentlicht das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Liste aller allgemein verbindlichen Tarifverträge. Diese Liste ist auf www.bma.de einsehbar, stellt aber nur einen Momentaufnahme dar. Eine Historie ist aus dieser Liste leider nicht ersichtlich. Die Liste ist daher nicht vollumfänglich.

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen stellt zusätzlich eine Internetseite mit allen in NRW registrierten Tarifverträgen zur Verfügung www.tarifregister.nrw.de.

Die Brisanz in Prüfungen ist daher gegeben, dass eine Unterschreitung der Lohngrenzen eines für allgemeingültig erklärten Tarifvertrages analog zu einem Verstoß gegen die Einhaltung der Mindestlohngrenzen gewertet wird.

Die Praxis zeigt leider in diesem Bereich im vergangenen und aktuellen Jahr, dass die Sozialversicherungsprüfer in diesen Fällen gehalten sind sog. Zollmeldungen zu erstellen.

Der Zoll ermittelt dann gegen diese Verstöße und eröffnet bereits bei Überschreiten von Kleinstverstößen ein Strafverfahren gegenüber den verantwortlichen Arbeitgebern.

Diese Verfahren sind unnötig zeitaufwendig und kostenintensiv, da Sie sich durch einen Anwalt i.d.R. vertreten lassen müssen.

Weiterhin richtet sich die Beitragspflicht von Arbeitsentgelt in der Sozialversicherung grundsätzlich nach dem sog. Entstehungsprinzip. Dies bedeutet, dass Beiträge zur Sozialversicherung bereits dann abzuführen sind, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt entstanden ist, d.h. im Rahmen einer Sozialversicherungsprüfung kann es somit neben dem Verstoß gegen die Einhaltung des Mindestlohngrenzen auch zu erheblichen Beitragsnachforderungen kommen.

Vor diesem Hintergrund möchten wir Sie über diese Thematik informieren und sensibilisieren. Unser Berufsrecht erlaubt uns leider nicht, Sie in Sozialversicherungsdingen zu beraten, wir dürfen in diesem Bereich nur rein informierend für Sie tätig werden.

Konkrete Einzelfallfragestellungen müssten Sie daher bitte mit Ihrem Arbeitsrechtler klären und uns das Ergebnis für die entsprechenden Umsetzungen in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen mitteilen.

Falls Sie Rückfragen zu diesem Thema haben hilft Ihnen Ihr Lohnsachbearbeiter in Einzelfällen gerne weiter.

Ihr Team
Klinkenberg & Kloubert

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